Tour de France Vorschau: Die Chancen der Deutschen
Mit einem Zeitfahren in Utrecht (Niederlande) beginnt am Samstag die 102. Tour de France. Welche deutschen Fahrer sind beim wichtigsten Radrennen des Jahres am Start? Was ist von ihnen zu erwarten? Und welche Stars kämpfen um den Gesamtsieg? Hier sind die wichtigsten Facts zur Grand Boucle 2015.
22 Teams, 21 Etappen, elf Deutsche
Wie seit Jahren üblich üblichen gehen bei der großen Schleife durch Frankreich 22 Teams mit je neun Fahrern an den Start. In diesem Jahr werden darunter mit Giant-Alpecin und Bora-Argon 18 zwei deutsche Mannschaften sein. Die elf deutschen Athleten verteilen sich auf insgesamt sechs Teams. Die Mehrheit von ihnen wird auf 3.360 knüppelharten Kilometern durch Frankreich Helferdienste verrichten müssen. Aber Tony Martin, André Greipel und John Degenkolb machen sich berechtigte Hoffnungen auf Tagessiege – jeweils auf unterschiedlichem Terrain.
Martins Traum von Gelb
Mehrfacher Zeitfahr-Weltmeister war er, olympischer Silbermedaillen-Gewinner und vierfacher Etappensieger bei der Tour de France auch. Tony Martin ist das Aushängeschild des deutschen Radsports. Doch einen kleinen Makel hat die Vita des 30-Jährigen noch: Ein Tag in Gelb beim wichtigsten Radrennen der Welt fehlt. Gut möglich, dass der sympathische Cottbuser diese Scharte gleich am ersten Tag der diesjährigen Tour auswetzt: Beim 13,8 km kurzen Kampf gegen die Uhr in den Niederlanden, wo das Rennen bereits zum sechsten Mal beginnt, ist er der große Favorit! Danach gilt es im besten Fall, das Maillot Jaune lange zu verteidigen – und in der dritten Woche vielleicht in die eine oder andere Ausreißer-Gruppe zu fahren.
Greipel – Raser aus Rostock
Möglichst lange im Feld mitschwimmen und auf der Zielgeraden richtig einen raushauen – das ist Greipels Ding! Bereits 13 Tagenssiege hat der bald 33-jährige „Gorilla“ bei den drei großen Rundfahrten ersprintet, allein sechs bei der Tour de France. Auch in diesem Jahr ist die erste Rennwoche wie für ihn gemacht: Nach dem Auftakt-Zeitfahren darf an fünf von sechs Tagen mit einer Sprintankunft gerechnet werden. Ob es aber zu Sternstunden wie 2012 reicht, als André Greipel gleich drei Etappen gewann, darf bezweifelt werden. Mit Sagan (SVK), dem Norweger Kristoff und dem 25-fachen Tagessieger Cavendish, dessen Vorjahresauftritt nach einem Sturz auf der ersten Etappe katastrophal verlief, wartet namhafte Konkurrenz.
Degenkolb, der Mann fürs Grobe
Sprinter oder Klassiker-Spezialist? Die Frage stellt sich bei John Degenkolb nicht: Er ersprintet die Klassiker-Siege! Im Frühjahr 2015 war der 26-Jährige besonders erfolgreich. Siege bei den Frühjahrsrennen Mailand – San Remo und Paris – Roubaix sicherten ihm Einträge in den Radsport-Analen. Weitere sollen jetzt bei der Tour de France folgen. Dass es dabei auf der vierten Etappe (Dienstag, 4. Juli) auch über die von den Klassikern bekannten Kopfsteinpflaster geht, dürfte dem Mann aus Gera in die Karten spielen, zumindest mental. Auf den klassischen Sprint-Etappen ist Degenkolb nicht chancenlos, wie insgesamt zehn Tagessiege bei Vuelta und Giro beweisen, aber die Favoritenrolle wird Männern wie Sagan und Cavendish zufallen.
Was man sonst noch wissen muss
Mit Marcel Kittel ist Deutschlands stärkster Sprinter, der in den vergangenen beiden Jahren je vier Tour de France Etappen gewann, nicht am Start. Nach langer Verletzung fehlt ihm in den Augen seiner Teamchefs die Fitness. Dass diese damit womöglich nicht ganz falsch liegen, zeigte sich am Wochenende bei den deutschen Meisterschaften: Hier wurde Kittel (wie auch Degenkolb) von Jungprofi Emanuel Buchmann düpiert. Der 22-Jährige wird seine erste Tour im deutschen Meistertrikot bestreiten – Überraschung nicht ausgeschlossen. Womit kein Deutscher etwas zu tun haben wird, ist der Gesamtsieg. Den machen wohl Froome, Contador, Quintana und Nibali – abgesehen vom Kolumbianer Quintana alles Ex-Tour-Sieger – unter sich aus.
Bis in Paris der Schampus geschlürft wird, stehen aber 21 spannende Etappen an, in denen die deutschen Starter sicher mehr als einmal die Hauptrolle spielen werden!