Quo vadis, FC Schalke?
Den Startplatz für die Europa League gewonnen – den Kredit bei den eigenen Fans endgültig verloren. Beim FC Schalke 04 brennt der Baum. Wer ist Schuld an der Situation und was muss sich im Hinblick auf die nächste Saison ändern?
Obwohl Schalke mit dem 1:0-Heimsieg über den FC Paderborn die Qualifikation zur Europa League perfekt gemacht hat, ist die Stimmung im und rund um den Verein am Boden. Der FC Schalke ist definitiv einer der großen Verlierer der Saison.
Ziel verfehlt
Die direkte Qualifikation zur Champions League – das war das Mindestziel des Klubs zu Saisonbeginn. Insgeheim hofften sie bei den Knappen aber auf mehr, mit ein bisschen Glück vielleicht sogar auf die langersehnte Meisterschaft. Vollmundig kündigte Manager Horst Heldt in der Sommerpause an: „Unser erklärtes Ziel muss lauten: Wenn Bayern mal straucheln sollte, dann müssen wir da sein. Dann darf es keinen anderen Verein geben, der davon profitiert.“ Jetzt, 33. Bundesliga-Spieltage später, muss festgehalten werden: Ziel klar verfehlt! Und die eigenen Ansprüche knallen den Verantwortlichen jetzt um die Ohren. Die Fans haben nach den schlechten und blutleeren Auftritten in der Rückrunde endgültig „die Schnauze voll“. Neben der Mannschaft werden voll allem Manager Heldt und der Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Tönnies als Schuldige an der Misere ausgemacht. Mit folgenden Plakaten unterstrichen die Anhänger vor dem Paderborn-Spiel ihren Unmut gegen die handelnden Personen:
„Alles hat ein Ende – auch die Tönnies-Wurst!“
„Der Fisch stinkt vom Kopf“
„1,69 m Inkompetenz“
„Vermisstenanzeige: Kurve sucht Mannschaft! Finderlohn garantiert!“
Die Plakate, der Stimmungsboykott in der 1. Halbzeit, höhnischer Applaus und Sprechchöre während des Spiels und Blockaden nach dem Abpfiff verdeutlichten: Es ist ein tiefer Graben zwischen den Fans und der Mannschaft sowie den Verantwortlichen entstanden.
Manager Hauptschuldiger
Im Zentrum der Kritik steht vor allem Manager Horst Heldt – und das zu Recht! Nicht erst seit dieser Saison greifen die Transfers des 45-Jährigen nicht mehr. Spieler wie Felipe Santana, Tranquilo Barnetta, Christian Clemens, Chinedu Obasi oder Jan Kirchhoff sind nicht mehr als Durchschnitt, sollen aber die großen Ziele des Klubs erreichen. Angebliche Topspieler wie Sidney Sam und Kevin-Prince Boateng wurden ablösefrei oder für kleines Geld geholt, kassieren dafür aber fürstlich und zahlen dieses nicht mit Leistung zurück. Obwohl Schalke mit Kaderkosten von € 90 Millionen zur Ligaspitze gehört, sind die Ausgaben in einer großen Diskrepanz zur erbrachten Leistung. Der Kader ist viel zu teuer im Verhältnis zum Ertrag – die Schuld des Sportmanagers.
Sonnenkönig Tönnies
Klubboss Clemens Tönnies steckt zwar immer wieder Geld in den Verein, sein Auftreten in der Öffentlichkeit ist aber selbst hartgesottenen S04-Fans oftmals ein Dorn im Auge. Seine Leidenschaft für den Klub kann man ihm nicht absprechen, aber etwas mehr Zurückhaltung und Mediengeilheit würden ihm und vor allem dem Verein gut zu Gesicht stehen. Warum muss vor jeder Saison wieder das Thema Meisterschaft auf den Plan gerufen werden? Warum muss Tönnies stets betonen, dass Schalke ein größerer Verein ist als Revierrivale Borussia Dortmund, obwohl ein einziger Blick auf die gewonnenen Titel reicht, um an dieser Aussage zu zweifeln? Allein durch seine oftmals undurchdachten Aussagen schürt der Klub-Boss eine ungeheurere Erwartungshaltung im Klub. Tönnies spricht zwar immer vom Arbeiter- und Malocher-Verein FC Schalke, doch weltmännisches Ansehen und Flair würde er trotzdem im Klub begrüßen. Tönnies liebt große Namen auf Schalke, deswegen waren ihm die Trainer Mirko Slomka oder Jens Keller nie prestigeträchtig genug.
Ohne Kampf und Leidenschaft keine Liebe
Zu guter Letzt ist natürlich vor allem die Mannschaft aufgrund ihrer (Nicht)Leistung Schuld an der Misere. Kampf, Leidenschaft, Hingabe – das sind Grundvoraussetzungen auf Schalke. Die Fans akzeptieren auch Niederlagen oder schlechte Ergebnisse, solange der Wille erkennbar war. Genau der war, ausgenommen von wenigen Ausnahmen, bei den meisten Spielern über Wochen und Monate nicht offensichtlich. Das beste Beispiel sind die Schalker Eurofighter-Helden. Spieler wie Jiri Nemec, Mike Büskens, Marc Wilmots, Radek Latal oder Johan De Kock – allesamt keine Techniker. Aber sie haben gekämpft bis zum Abpfiff und ihren Mann gestanden. Die Fans haben sich mit dem Team identifiziert. Nach sowas sehnen sich die Anhänger – da wäre selbst eine Saison im Bundesliga-Mittelfeld kein Problem.
Vergessen werden darf nicht, dass viele Probleme nicht erst seit dieser Saison auf Schalke existieren. Bereits in den letzten Jahren wurde zum Teil schlechter und unansehnlicher Fußball geboten. Allerdings stand am Ende jeweils die Qualifikation zur Champions League und diese hat im Endeffekt viel kaschiert. Da in dieser Saison der sportliche Erfolg ausblieb, ist das Fass übergelaufen. Aber Schalke hat es selbst in der Hand, diese Situation zu meistern. Das beste Schalker Spiel seit langem war der Auftritt im Bernabeu in Madrid. Die stärksten Akteure in einer insgesamt starken Truppe waren Max Meier und Leroy Sane – Talente aus der Knappenschmiede. Mit so einem starken Unterbau ist auf langer Sicht viel möglich. Wichtig sind die richtigen handelnden Personen auf den wichtigen Positionen und vor allem Ruhe, stetiger Wachstum und kein Hauruck!