EM 2016: Das Fest der Fußballzwerge
Es gibt keine Kleinen im Fußball mehr? Doch, die gibt es noch: Albanien, Island, Nordirland, Wales und Ungarn sind die gallischen Dörfer der EM 2016 in Frankreich. Aber klein bedeutet nicht chancenlos, das demonstrieren diese Underdogs bei der Europameisterschaft und beeindrucken durch bisher starke Auftritte.
Auch wenn für alle genannten Teams nicht zu Punkten oder gar zum Sieg reicht, sorgen die Außenseiter landauf, landab für mächtig Furore bei der EM. Insbesondre verbreiten die Fußballzwerge aber gute Laune – nicht nur unter ihren Anhängern. So dürfte einzig den Portugiesen selbst kein Lächeln über die Lippen gegangen sein, als die wackeren Isländer das Ausgleichstor zum 1:1 Endstand gegen Cristiano Ronaldo & Co. erzielten. Woraus besteht der Zaubertrank, der die Zwerge so standhaft macht?
Stimmung wie beim Heimspiel
Die Underdogs bewegen die Massen. Das war auch beim Spiel von Island gegen Portugal zu beobachten. Der 3-malige Weltfußballer Ronaldo allein hat 130-mal mehr Twitter-Follower, als Island Einwohner – dennoch hatte der Außenseiter die Zuschauer im Stadion von Saint-Etienne klar auf seiner Seite.
Der Lobgesang der nordirischen Anhänger auf ihren Stürmer Will Grigg hat sich zum EM-Hit Nummer 1 gemausert. Auch die Fans der anderen Fußballzwerge ziehen stimmgewaltig durch die Städte und Stadien in Frankreich. Sie treiben, peitschen und tragen ihre Spieler so zu Höchstleistungen.
Northern Ireland fans have Nice bouncing, to Will Grigg’s on fire!! 🔥🔥 pic.twitter.com/5b5uzByE4x
— The Away Fans (@theawayfans) June 12, 2016
Kämpferherz und stabile Defensive
Spielerisch können die Spieler der Außenseiter kaum mit den großen Nationen mithalten, deshalb ist Kampf gefragt. Jeder Einzelne rennt und fightet bei den Kleinen, als ginge es um Leben und Tod. Das Hauptaugenmerk liegt stets auf dem Bewachen des eigenen Kastens.
Keinem Zweikampf wird dafür aus dem Weg gegangen, kein Meter zu wenig gemacht. Diese Defensivtaktik scheint aufzugehen, denn im gesamten Turnier ist noch kein Underdog unter die Räder gekommen. Das Offensiv-Konzept beruht vorrangig auf Kontern und Standards. Resultat: Weniger Tore, mehr Spannung bis zum Abpfiff.
Legionäre und importierte Trainer
Das Grundgerüst beziehen die kleinen Nationen bevorzugt aus dem Ausland. Die Stars und Zugpferde spielen bei Vereinen aus den großen europäischen Ligen oder wurden dort ausgebildet. Zusammen mit ausländischen Trainern ergibt sich so die explosive Mischung, an der sich manch Favorit die Finger verbrennt.
Albaniens Spieler kicken in Italien und der Schweiz. Die Nordiren und Waliser – mit Ausnahme von Gareth Bale (Real Madrid) – in England. Einige Isländer und Ungarn sind aus der Bundesliga bekannt.
Auch auf den Trainerbänken sitzt Know-How aus dem Ausland. So coacht der Italiener Gianni de Biasi Albanien. Bei Island zieht mit Lars Lagerbäck ein Schwede die Fäden und Ungarn wird vom Deutschen Bernd Storck trainiert.
Diese Konstellation erinnert stark an das griechische Team von 2004, das überraschend Europameister wurde. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.